Aus den Programmen LASST UNS ZÜNDELN mit den Zeitzündlern (1990) und RESTLREDEN (2019)

Soziale Netzwerke, Postings, Blogs und WhatsApp – Menschen können der ganzen Welt etwas mitteilen. Wann hat es je so etwas gegeben?

 

Dabei is alles nur a Theater. - Die Grundlage dieses Theaters ist die Unzufriedenheit. Ein Zufriedener hat nur selten das Bedürfnis, sich an ein Publikum zu wenden.

 

 

Wenn Johann Nestroy heute noch leben würde, er würde sein Plädoyer für die Unzufriedenheit hinausschmettern über das World Wide Web, damit sämtliche Server wegen Überlastung ihre Dienste einstellen und endlich wieder Ruhe wär‘ auf der Welt und das einzige, was die Menschen verschicken könnten, wieder nur a Postkarten wär‘ – wo ma sich vorher überlegen muss, was ma draufschreibt.

Lied:

Ich weiß nicht wieso, ich bin so enttäuscht, so enttäuscht von all‘n.

 Denn mich kann niemand leiden, die Menschen sind schlecht,

aber deshalb sie meiden – wär‘ mir auch nicht ganz recht.

 Ich weiß nicht wieso, ich bin so enttäuscht, so enttäuscht von all’n.

 

         Ich bin doch sicher ein erztoleranter Gefährte,

         hab‘ nix gegen Fremde und schimpf‘ auf Gelehrte.

         Also bitte, mehr kann man wirklich doch nicht mehr verlangen,

         doch jeder ist mir gegenüber befangen.

                       

                  Es ist ein Problem, denn mir geht’s darum,

                   dass die Leut‘ mich versteh’n –

 

                   aber die Leut‘ sind zu dumm.

Da bemüht man sich und bemüht sich – man macht sich sogar noch Gedanken – hie und da – und dann so etwas. Ich mein’s doch nur gut.

 

Ich sag‘ es ja nur deshalb, weil’s wahr is: Die Unzufriedenheit ist heutzutag‘ eine unüberwindbare Voraussetzung dafür, sich interessant zu machen. Den Unzufriedenen gehört die Welt, auf dass sie sie so gestalten, dass kana mit ihr zufrieden sein kann.

 

Und so sind viele erst dann zufrieden, wenn’s unzufrieden san. Wenn sie glauben, sie müssen überall besser Bescheid wissen, wenn sie glauben, sie haben das dünne, gachgelbe Einmachsupperl der himmelblauen Lebensweisheit mit dem goldenen Löfferl der grünen Erkenntnis geschlürft – und werden gar net rot dabei.

 

 

Wenn sie glauben, sie müssen jedem seine pechschwarzen Fehler vorbeten, nur um sich selber besser die farblose Beicht‘ abnehmen zu können  --  na, na – das wird mir dann doch a bisserl zu bunt.

Ja, die Unzufriedenheit hat viele G’sichter, mit denen sie uns in die erwartungsvollen Augen grinst. – Die Unzufriedenheit der Armen, weil’s immer ärmer werden. Die Unzufriedenheit der Reichen, weil’s immer reicher werden woll’n. – Die Unzufriedenheit der großen Künstler, die immer reicher werden, je ärmer sie sich vorkommen.

 

Und nicht zuletzt die Unzufriedenheit der Schulmeister, die sich reich an Wissen glauben und mit diesem Glauben sich immer ärmer wissen, weil ihre Herr’n Schüler von diesem Wissen nix wissen woll’n.

 

 

Und so verwandeln wir die Tage und Wochen wechselnder Unzufriedenheit in einen Abend, wo ein nebenberuflich Unzufriedener da hervorn steht und die gelehrten Damen und Herren im Publikum beinharte Kritiker werden, auf dass jene innere, prickelnde Stimmung wie ein Komet über alle vollen, halbvollen und geleerten Köpfe hinwegfegt – eine Stimmung, die es vermag, uns für schwache zwa Stunden am Krawattel zu packen.

Ja, Sie können es mir ruhig glauben. Unsereins hat’s nicht leicht. Als Unzufriedener da hervorn im Mittelpunkt zu steh’n und die Unzufriedenheit so g’schmackig zu verpacken, dass alle anderen zufrieden sein können – des is net leicht.

 

Aber das ist ja der Kitzel, der so einen Abend überhaupt ermöglicht. Genau zu wissen, dass man irgendwann abstürzen kann – und trotzdem in dem engmaschigen Netz allgemeinen Wohlwollens vom Publikum aufgefangen wird  -  einem Publikum, von dem man im Grunde eh nix anders erwartet als rücksichtvollen Applaus. Und dieser Applaus ist ja, den grad‘ die Unzufriedenen hie und da brauchen könnten, damit’s endlich einmal alle wissen, dass man mit Vielem in dera Welt unzufrieden sein muss.

 

 

Und daher bitte ich euch  -  was heißt, ich bitte .... ich flehe euch an, erhebt euch zu einem erhebenden Applaus, schlagt’s die Händ‘ z’samm und zeigt’s an jeden, dass ihr einen Pascher d’rauf habt’s wie ihn die Welt noch nicht geseh’n hat.